Turmbau zu Sassenberg

Noch bis in das letzte Jahrhundert hinein begnügte sich unsere Pfarrkirche mit einem laternenförmigen Dachreiter auf dem Nordende des Kirchendaches. Dem gründerzeitlichen Wetteifer um den höchsten Kirchturm unter den benachbarten Gemeinden konnte man sich jedoch auch in Sassenberg Anfang des 20. Jahrhunderts nicht entziehen.
 
So führte der damalige Pastor Trappe folgende drei mehr oder weniger gewichtige Argumente ins Feld:
- Die ganze Gemeinde wünscht es.
- Sassenberg ist die einzige Kirche im Dekanat ohne Turm.
- Die Kirche ist für 2100 Seelen zu klein.

Man darf wohl vermuten, dass Pfarrer Trappe der zweite vorgebrachte Grund am meisten auf der Seele brannte; so wurden mit dem Bau des Turms nämlich nur 80 zusätzliche Plätze für die Sassenberger Seelen geschaffen. Allein dieses Anliegen wäre indes mit bedeutend weniger Aufwand zu haben gewesen. So hatte man sich in Sassenberg in den Kopf gesetzt, einen Kirchturm zu errichten, der den Türmen der benachbarten Gemeinden zumindest ebenbürtig war.

Für die Verwirklichung der ehrgeizigen Pläne des Pfarrers stand allerdings noch das Häuschen des Krämers Moll im Wege, welches im unmittelbaren Schatten der Kirche stand. Zum großen Leidwesen des Herrn Pfarrers betrieb die Familie Moll darin obendrein eine gutgehende Schankwirtschaft, die sich eigenartigerweise immer zu den sonntäglichen Messzeiten regen Besuchs erfreute, was einige Zeitgenossen denn auch des Öfteren von der pünktlichen Ankunft zum Gottesdienst abhielt. Doch dieses ist eine andere Geschichte...

Nach langwierigen Querelen in ebendiesen Grundstücksangelegenheiten wurde der Münsteraner Dombaumeister Wilhelm Sunder-Plaßmann mit der Planung und Bauleitung beauftragt. Dieser legte Anfang 1906 einen ersten Entwurf vor, der den Beifall von Kirchenvorstand und Generalvikariat fand. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch noch sieben Jahre bis 1913, weil sich die Sassenberger gegen den heftigen Widerstand von Denkmalschützern und Kunsthistorikern durchsetzen mussten, ein Thema, das sogar die überregionale Fachwelt beschäftigte. Und in der Tat bietet unser Kirchturm heute einen eher untypischen Anblick. Der schlichte spätgotische Hallenbau von 1678 wird durch den neuen Turm regelrecht von barockisierenden Stilelementen überwuchert. Die vielfachen Zwiebelformen des Haupt- und der Nebentürme drängen sich dem zurückhaltenden Dorfkirchlein regelrecht auf.

Trotz alledem - oder gerade deswegen - ist der Sassenberger Kirchturm unverwechselbarer Blickfang in einer eher monoton neugotisch dominierten Kirchenlandschaft der münsterländischen Umgebung und Wahrzeichen der Stadt Sassenberg. Pfarrer Trappe hatte sein Ziel erreicht, sollte aber die Fertigstellung nicht mehr miterleben. Unter großem Jubel wurde der Turmbau zu Sassenberg mit dem Aufsetzen von Turmkreuz und Hahn am 29. Juni 1914 nach dem sonntäglichen Hochamt vollendet.

Nach der Fertigstellung des neuen Turmes wurde das Geläut des alten Dachreiters zunächst übernommen. Diese Glocken sowie deren Nachfolger fielen allerdings im ersten und zweiten Weltkrieg der Rüstungsindustrie zum Opfer. Dank privater Stiftung konnte jedoch bereits 1946 das heutige Geläut bestehend aus sechs Glocken angeschafft werden, von denen die größte, die Herz-Jesu-Glocke (Ton C) mehr als zwei Tonnen wiegt und die kleinste, die Karl-Borromäus-Glocke (Ton E) immerhin noch 300kg schwer ist.

Text: Reinhold Gebbe
Bild: Die Glocke, 2015
 

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